Das Nordkapp
Wir starten auf den letzten Abschnitt der Tour
Langsam haben wir uns an das nasskalte, windige Wetter gewöhnt. Oder zumindest haben wir uns damit abgefunden. Das Plätzchen mit dem Wäschebäumchen lassen wir hinter uns und machen uns auf letzten Abschnitt unserer Reise. Das Wetter spielt relativ gut mit. Der Wind ist zwar keine Hilfe, allerdings ist es dafür fast dauerhaft trocken.
Entlang der Küste schlängelt sich die Straße an unzähligen Buchten vorbei. Das Wasser ist kristallklar und schimmert in den schönsten Blautönen. Wenn man so von oben aufs Wasser schaut, lädt es verlockend zum Baden ein. Allerdings sind die Temperaturen das Gegenteil von badefreundlich. Das Meer begleitet uns auf unserer rechten Seite und verändert sich immer wieder, trotz, dass es doch das selbe Wasser ist. Zu unserer Linken ist ununterbrochen die schroffe Landschaft Nord-Norwegens zu sehen. Es sieht immer wieder aus wie Postkartenmotive. Der Wechsel zwischen steilen Bergen, Geröllhängen und moorigen Wiesen ist genau so schön anzusehen wie beeindruckend.
Immer wieder sehen wir hier im Nirgendwo kleine und große Häuschen, die einsam vor einem traumhaften Panorama stehen. Im ersten Moment ist es natürlich eine traumhaft romantische Vorstellung hier zu leben, allerdings gibt es hier, außer der endlos wirkenden Straße, auf der wir fahren, nahezu nichts. Was machen die Menschen die hier leben, abgesehen von wandern, in ihrer Freizeit? Und was macht man hier im Winter, wenn es monatelang dunkel ist? Oder elementare Dinge wie: Was arbeitet man, wenn man hier wohnt und nicht von der Fischerei lebt? Viele Fragen, kaum Antworten. Wir bleiben mit unseren Gedanken alleine während wir uns auf unserem Weg nordwärts kaum sattsehen können.
In der Nähe einer Siedlung, oder besser gesagt einer Handvoll Häusern, die gerade so in Sichtweite voneinander gebaut wurden, zeigt sich vor uns ein schüchterner Regenbogen, den man erst auf den zweiten Blick über dem Fjord erkennen kann.
In einer kleinen Bucht unweit der Siedlung, wenn man sie so nennen will, liegen einige kleine Boote. Vom Straßenrand aus, an dem zahlreiche lila leuchtende Blumen wachsen, sieht man durch das klare Wasser hindurch den Seetang, der stellenweise am Meeresgrund wächst. Vielleicht, weil genau hier Steine im Wasser sind. Generell fällt auf, dass je weiter wir nach Norden kommen und je dünner besiedelt die Gebiete sind, desto sauberer alles ist, desto weniger Müll ist zu finden und desto klarer ist auch das Wasser.
Auf der einen Seite ist es unglaublich schön solch eine reine Natur wie hier erleben zu dürfen, zum Anderen ist es traurig und auch auf eine Weise beschämend, dass so etwas durch uns Menschen zur absoluten Ausnahme geworden ist.
Mit der Zeit wird der Fjord langsam aber sicher breiter. Nachdem das andere Ufer eben noch zum Greifen nah war, sind jetzt noch die Berge am Horizont zu erkennen. Das ist wieder einer dieser Momente, in dem mir auf ein Neues klar wird, wie klein man doch ist.
Auf der Karte haben wir es schon gesehen und jetzt stehen wir davor: Tunnel! Es ist der erste wirklich große hier in Norwegen, allerdings nicht der letzte. Das Schild, das auf knapp drei Kilometer Länge hinweist, lässt die Spannung steigen.
Tunnel sind definitiv nichts für jeden. Man muss es mögen oder sollte zumindest keine Angst davor haben. Natürlich kann der Gedanke, dass hunderte Meter Fels und Gestein über uns sind und es keine Garantie gib, dass nichts einstürtzt, zu Unwohlsein führen. Daher verstehe ich auch, dass Caro nicht begeistert ist und sie den Tunnel lieber umfahren würde. Eine Umfahrung existiert allerdings nicht. Bei mir ist die Neugier und der Abenteuerdrang stärker als jede Sorge. Dazu denke ich mir: Wenn alles bis jetzt Jahre lang gehalten hat, wird es wohl nicht in den nächsten Minuten einstürzen. Außerdem will ich unbedingt wissen, was uns erwartet.
Der Tunnel ist zwar gut beleuchtet, allerdings wirkt er eher wie ein alter Stollen. Es ist nicht so, wie man es von modernen Tunneln gewohnt ist. Die Wände und Decken sind nur am Anfang und am Ende für einige Meter mit Beton ausgekleidet. Im größten Teil des Tunnels ist der blanke Fels zu erkennen. Bei genauerem Hinschauen sind teilweise noch Bohrungen zu erkennen, die für Sprengungen genutzt wurden. Die Beleuchtung an der Decke wirkt etwas provisorisch, da die elektrischen Leitungen einfach auf dem Fels der Decke angebracht wurden. Die Tatsache, dass an vielen Stellen Wasser aus der Decke tropft und an den Wänden hinunterläuft, macht die Stimmung im Tunnel perfekt. Ich fahre mir der puren Begeisterung in den Augen durch den endlosen Tunnel während ich immer wieder neue Kleinigkeiten entdecke. Ich schaue zu Caro und sehe sofort, dass sie sich hier, im Gegensatz zu mir, gar nicht wohl fühlt und meine Begeisterung nicht im Ansatz teilt. Ich versuche, sie etwas zu beruhigen, was gut klappt, doch sie ist froh, das Ende zu sehen. Aber wie gesagt: das war noch lange nicht der letzte Tunnel.
Nach dem Tunnel soll ein kleiner Parkplatz sein, den wir ansteuern. Dazwischen liegt übrigens noch ein Tunnel, der etwas kürzer ist, ich werde sie aber nicht alle erwähnen. Zwischen Meer und steilen Bergen gibt es nicht viel, oder besser gesagt, fast keine Auswahl an Schlafplätzen. Der Parkplatz sollte zumindest eine ebene Fläche bieten um unser Zelt aufstellen zu können. Glücklicherweise entdecken wir direkt nach dem letzten Tunnel vor dem Parkplatz eine kleine Freifläche mit einem Gebäude. Anscheinend ist es eine kleines Umspannwerk oder etwas ähnliches. Zumindest lassen die Warnschilder und das Summen der Hochspannung die Vermutung zu. Hinter dem Gebäude auf der Berg zugewandten Seite, haben wir dank dem großen Betonklotz einen recht guten Windschatten.
Der Lärm der Straße ist minimal, da so oder so kaum Autos vorbeifahren. Wenn man den Berg ein kleines Stückchen nach oben geht, hat man eine gute Sicht über unser Lager und das Meer bis hin zum Horizont, an dem man das andere Ufer des Fjords sehen kann. Direkt neben unserem Windschutz ist sogar der Ausgang des Tunnels noch zu sehen.
Neuer Tag, neues Abenteuer!
Wir packen, nach unserer üblichen Morgen-Routine, unser Zelt und alles andere zusammen, bevor wir wieder starten. Das Wetter ist bis jetzt ziemlich schön und zu dem Mix aus Wolken und Wind gesellt sich auch die Sonne. Nach wenigen Kurven erreichen wir den Parkplatz, an dem wir eigentlich die Nacht zuvor übernachten wollten. Es war eine gute Entscheidung, dort zu bleiben, wo wir übernachtet hatten. Hier an dem Parkplatz ist wenig Platz, keinerlei Windschutz, dafür aber ein paar Campervans. Wir entsorgen an den Mülleimern unseren Abfall und erleichtern uns bevor es weiter geht.
Die Natur um uns herum wird immer beindruckender. Die Berge sind ebenso mächtig wie steil. Wobei das Faszinierendste für mich ist, wie man die einzelnen Gesteinsschichten an den Felsen erkennen kann. Teilweise sieht man deutlich, wo sich eine gigantische Felsformation aus den Tiefen der Erde an die Oberfläche gearbeitet hat. Sie ragt jetzt in die Luft, fällt steil ab und an den Flanken sind die einzelnen Schichten deutlich zu erkennen. Was sich hier über tausende Jahre ans Sonnenlicht gearbeitet hat, bekommt über die Zeit Risse, bricht ab und verwandelt sich in Geröllhalden. Es ist für mich unglaublich zu sehen, wie alles, selbst die massivsten Berge, ununterbrochen in Bewegung sind. Nebenbei ergeben sich auch mächtige und schöne Formationen, die einfach traumhaft anzusehen sind.
Da sind wir! Wir haben es offiziell in die Nordkap-Kommune geschafft. Trotz, dass wir in den letzten Wochen durch unendlich viel verlassene Natur gefahren sind, fühlt es sich jetzt an, als ob wir noch mehr ins Nirgendwo fahren. Die einzelnen Häuser, die immer wieder von der Straße aus zu sehen sind, sehen selten bewohnt aus und es wirkt so als ob wir bald das Ende der Welt erreichen würden.
Die Straße, auf der wir unterwegs sind, schlängelt sich durchs Gelände und ich denke immer wieder darüber nach, wie schwer es sein muss, unter den Bedingeungen, die hier herrschen, eine Straße im Nichts zu errichten. Neben den Hochspannungsleitungen, die ab und zu zu sehen sind, ist das die einzige Infrastruktur. Weit und breit gibt es keine alternative Stecke, nur diese Straße.
Es ist ein Traum, auf solch einer außergewöhnlichen Straße zu fahren. Ich genieße es total, durch diese Landschaft zu fahren und das Abenteuer zu spüren und nach jeder Kurve etwas Neues zu entdecken.
Seit einigen Kilometern schauen wir uns nach einem Plätzchen um, wo wir mehr oder weniger windgeschützt Mittag essen können. Es wirkt etwas aussichtslos. Am Straßenrand sehen wir dann eine Stelle, die etwas sein könnte. Es zweigt ein Weg ab, der zu ein paar Häusern führt. An der Abzweigung ist ein großer Haufen Schotter, der wohl für den Weg gedacht ist. So oder so dient er uns als brauchbarer Windschutz. Wir setzen uns hinter den kleinen Hügel und kochen uns etwas Warmes.
Nach dem kurzen Aufwärmen geht es weiter. Sobald wir aus dem Windschatten treten, spüren wir den kalten Wind wieder. Als nächstes wartet auf uns ein Anstieg. Es geht seitlich an einer Flanke aufwärts bis wir ein Hochplateau erreichen. Der Wind dreht noch mal richtig auf und wir haben größte Schwierigkeiten gegen die Böen anzukämpfen und auf der Straße zu bleiben. Das Wetter ändert sich schnell, tief hängende Wolken ziehen über uns hinweg und so fahren wir im Minutentakt durch unterschiedlichste Wetterverhältnisse. Auf einer kleineren Kuppe bleibe ich stehen und versuche das verrückte Wetter auf einem Foto einzufangen: Gleichzeitig sehen wir vor uns strahlenden Sonnenschein, der durch dunkle Wolken bricht, aus denen reichlich Regen fällt.
Von dem Plateau führt die Straße in großen Bögen wieder abwärts. Der Wind peitscht den Regen von der Seite auf uns während wir immer noch Schwierigkeiten haben, auf der Straße zu bleiben. Auf der linken Seite sind wir klatschnass, während unsere rechte Seite noch fast trocken ist.
Wir erreichen das Schild, das den Nordkap-Tunnel ankündigt und halten, um unsere Lampen anzumachen. Was uns erwartet, wissen wir nicht so genau. Auf jeden Fall wird es im Tunnel windstill und trocken sein, worauf wir uns schon freuen.
Die Zahlen alleine machen schon ordentlich Eindruck: knapp 7 Kilometer Länge ist ordentlich, deutlich mehr als wir beide jemals zuvor mit dem Fahrrad gefahren sind. Die etwas mehr als 200 Höhenmeter hatte ich bei der Durchfahrt gar nicht bedacht. In meiner Vorstellung sind alle Tunnel mehr oder weniger eben. So kenne ich es auch aus Erfahrung. Wir sind gespannt und etwas aufgeregt während wir auf den Eingang des Tunnels zufahren.
Wir rollen durch den Bogen ins Dunkle. Die Lampen an der Decke machen ein relativ helles aber schummriges Licht. Direkt am Anfang beginnt der Tunnel steil abzufallen. So steil, dass vor uns die Straße verschwindet und wir nur Decke sehen. Auf eine Kuppe folgt direkt die nächste und es wird immer steiler. Wie steil es gerade ist, ist schwer einzuschätzen, wir bauen schnell Tempo auf. Wie schnell wir genau sind, wissen wir nicht, aber es ist unheimlich, trotz Bremsen immer schneller zu werden und immer noch nicht zu sehen, wie viel steiler es noch wird. Kleine Schilder an der Seite zeigen, dass wir schon gut zwei Kilometer in die Tiefe gefahren sind. Aber noch ist keine Ende zu sehen, unsicher wie schnell wir sind und wie steil es wirklich ist, geht’s weiter abwärts. Nach etwa drei Kilometern scheint es etwas flacher zu werden. Jetzt heißt es, rollen lassen und den Schwung mitnehmen. Wir sehen diese Röhre aus Beton vor uns, die wirkt, als würde sie ins Unendliche ansteigen. Beim Blick nach hinten sehen wir dasselbe. Jetzt sind wir am tiefsten Punkt angekommen und über 200 Meter tief unter der Meeresoberfläche. Dazu kommt das Wissen, dass über uns nicht nur große Felsmassen sind, sondern auch das eisige Wasser des Nordmeers. Ab jetzt zeigt sich uns das genau entgegengesetzte Bild wie am Anfang. Wir sehen kaum noch etwas von der Decke, dafür sehen wir nur noch Straße, die ins Endlose steiler wird. Autos und einige LKW rauschen an uns vorbei während es immer steiler wird. Die letzten Kilometer werden mit der Zeit richtig anstrengend und uns gehen bald die Gänge unserer Fahrräder aus. Nach etwa sechs Kilometern verflacht sich der Anstieg und wir kommen dem Ende immer näher. Wir sind beide froh, das Ende des Tunnels zu sehen. Das war definitiv das mit Abstand intensivste Erlebnis mit einem Tunnel für uns beide.
Direkt nachdem wir den Tunnel verlassen, werden wir erneut von Regen und starken Windböen begrüßt. An einem Parkplatz sind Toiletten. Dort stellen wir fest, dass sie beheitzt sind. Wir füllen nicht nur unsere Wasserreserven auf, sondern bleiben auch einen Moment, um die Wärme zu genießen, da wir doch etwas durchgefroren sind.
Wir haben es geschafft, wir haben die Nordkap-Insel erreicht. Unser Ziel für den heutigen Tag ist Honningsvåg. Dort wollen wir noch ein paar Lebensmittel einkaufen und dann an einem Schutzdach übernachten. Der Weg zur Stadt ist kurvig und von ein paar kurzen Tunneln begleitet.
Kurz vor der Stadt erwischt uns noch mal eine stärkere Böe, die uns gnadenlos gegen die Leitplanke schiebt. Der Sturz ist ziemlich unangenehm, aber zum Glück ist uns nichts Ernstes passiert. Das ist uns im Laufe des Tages dreimal pasiert. Kurz vor Honningsvåg reißt der Himmel auf und die Sonne zaubert einen Regenbogen für uns, der direkt im Meer neben uns endet.
Nach einem Abstecher in einen Laden geht´s für uns zu dem Windschutz, den wir uns ausgesucht haben. Dass er an einem Berg liegt, haben wir bereits auf der Karte gesehen, aber dass es so steil wird, haben wir nicht erwartet. An Fahren ist bald nicht mehr zu denken. Wir schieben unsere Räder, müssen aber einige hundert Meter vor dem Ziel anhalten, um ein Rad nach dem anderen gemeinsam aufwärts zu schieben.
An dem Unterstand angekommen sind wir total happy, dass uns ein halboffener Pavillion aus Holz erwartet. Hier haben wir nicht nur einen guten Schutz vor dem Wind, sondern auch ein brauchbares Dach über unserem Kopf. Wir bauen das Zelt auf und machen uns ans Abendessen. Schon verrückt: nachdem wir unser Zelt bei nasskalten und stürmischen Bedingungen einige Tage frei stehen hatten, ist solch eine Schutzhütte richtiger Luxus. Wie etwas so banales wie Wände und ein Dach aus Holz Sicherheit und Komfort bieten kann, ist schon unglaublich. Wir genießen die Sicht auf die Bucht und auf Honningsvåg, auch wenn das Wetter weiterhin etwas eklig ist.
Am Abend überlegen wir, was wir am Folgetag machen. Zum Ainen geht es Caro nicht so gut und zum Anderen sind Unwetter vorhergesagt. Ich glaube, dass man mit Unwettern hier vorsichtig sein sollte. Nach einigem Hin und Her, entscheiden wir uns für einen Tag Pause.
Wir haben die Nacht gut rumgebracht und etwas ausgeschlafen. Der Tag Pause ist jetzt ziemlich gut. Es ist deutlich angenehmer, den Regen auf dem Dach zu hören als ihn auf den Klamotten und der Haut zu spüren. Mit einigen Schichten Kleidung ist es tatsächlich recht angenehm in dem Windschutz. Die Böen schaffen es zwar immer wieder, unsere nasse Kleidung von den improvisierten Wäscheleinen zu wehen, die innen an den Wänden hängen, aber außerhalb ist es richtig ungemütlich. Wir haben genug zu tun: umpacken, checken wie viel wir von welchen Lebensmittel haben. Caro läuft ins Dorf und kauft einen neuen Fahrradschlauch und ein paar Lebensmittel. Ich schreibe für den Blog und sonst gibt es auch reichlich zu organisieren. Zum Beispiel die Rückfahrt. Es ist ganz schön umständlich, mit Fahrrädern zurück nach Deutschland zu kommen, wenn man nicht mit dem Flugzeug fliegen will.
Wir bereiten alles für den nächsten Tag, aber auch für die Folgetage, vor und versuchen, zeitig ins Bett zu kommen.
Die letzte Tagestour
Wir stehen zeitig auf, packen unsere Sachen und schwingen uns nach unserer Morgen-Routine auf die Räder. Honningsvåg lassen wir hinter uns und sehen zu, wie Buchten und Fjorde an uns vorbeiziehen. Nach einigen Kilometern erreichen wir den ersten größeren Anstieg. Warnschilder weisen auf die extreme Steigung hin und uns wird schnell klar, dass es ab hier noch mal knackig wird. Auch auf den letzten Kilometern wird uns hier nichts geschenkt, aber der Ausblick von der Anhöhe auf den Weg, den wir gekommen sind, ist unbeschreiblich.
Bei einer Haltebucht treffen wir ein deutsches Rentnerpärchen, das mit ihrem Wohnmobil unterwegs ist. Sie fragen ob sie ein Foto für ihre Kinder machen können, die auch begeisterte Radfahrer sind. Schnell stellt sich raus, dass sie ihre Wurzeln nur wenige Kilometer entfernt von Friesenheim haben, dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin und von wo ich gestartet bin.
Wir fahren weiter und erreichen eine Kuppe, von wo aus es wieder abwärts geht. Das Meer ist auf beiden Seiten der Insel zu sehen und der Wind pfeift gnadenlos über die Felsen. Es war definitiv eine gute Idee, an dem Unterstand in Honningsvåg einen Pausetag zu machen. Bei den Bedingungen von gestern wäre diese Strecke nicht nur unangenehm sondern auch richtig gefährlich geworden.
Auf unserem Weg abwärts sehen wir schon, wo es gleich wieder hoch geht. Auf diesen Inselteil dort direkt vor uns, der aussieht, als ob man die obere Hälfte glatt abgeschnitten hätte. Es ist eine riesige ebene Fläche, die zu allen Seiten hin an den Flanken durch Steilhänge begrenzt ist, die im Meer enden.
Wir nehmen ihn in Angriff, den absolut letzten Anstieg vor unserem Ziel! Es geht recht moderat aufwärts und bald sehen wir vor uns auf der linken Seite das erste Gebäude. Es ist die Forschungsstation, die hier schon seit vielen Jahren steht. Wir lassen sie und ihre abgesperrte Zufahrt auf unserer linken Seite liegen und fahren weiter. Hinter der nächsten Kurve erscheit es: Das Nordkap-Zentrum.
An einem kleinen Kassenhäuschen vor dem großen Parkplatz bekommen wir kleine Aufkleber. Das ist die Eintrittskarte für die Nordkapp-Hallen. Normalerweise kostet eine Karte über 30 Euro, für uns ist der Eintritt allerdings kostenlos. Alle Besucher, die aus eigener Kraft, also zu Fuß oder mit dem Fahrrad hier ankommen, bekommen freien Eintritt.
Die Hallen sind für uns im Moment zweitrangig. Jetzt wollen wir als Erstes zum Globus. Es ist ein verrücktes Gefühl, das hier geschafft zu haben. Zwar macht es auch traurig, dass unsere Radreise hier ihr Ende findet, allerdings geht es trotzdem weiter. Lediglich auf eine andere Art. Auf jeden Fall sind wir jetzt hier und wir sind überwältigt davon, mit dem Rad so weit gefahren zu sei und jetzt hier zu stehen.
Wir stellen unsere Räder an einem Häuschen ab und tauschen als erstes die nassen und verschwitzten Klamotten gegen trockene. Dafür ist das neue und moderne Toilettenhäuschen ideal, es ist gut beheitzt und das Wasser ist ordentlich warm. Als nächstes suchen wir uns einen windgeschützten Platz und genehmigen uns einen Snack bevor wir uns auf den Weg zu den Hallen machen.
Unsere Klamotten haben wir verpackt, ein kleines Rucksäckchen mit Snacks gerichtet und nachdem wir die Fahrräder abgeschlossen haben, geht´s für uns in die Nordkapp-Hallen.
Es ist eine Mischung aus Souvenir-Shop und Museum. Zum Großteil geht es darum, wie das Nordkapp erschlossen wurde und welche großen Persönlichkeiten diesen Ort bereits besucht haben.
Beim zweiten Abstecher zum Globus ist etwas weniger los und wir haben Zeit, in Ruhe ein paar Fotos zu schießen. Es ist noch immer nicht ganz greifbar, dass wir am nördlichsten Punkt des europäischen Festlands sind. Woche um Woche sind wir Richtung Norden gefahren und jetzt stehen wir hier an dieser gigantischen Kante nach der es nichts gibt außer endloses Wasser, Meer so weit das Auge reicht. Das Erlebnis, dieser Moment gibt uns ein Gefühl von: „wir können alles schaffen!“. Ein Gefühl, das verdammt gut ist.
Wir laufen noch einige Male umher und schauen uns alles an, was wir entdecken. Erst von einigen hundert Metern Entferung kommt die Größe richtig zur Geltung. Neben dem Globus sehen Menschen klein aus, allerdings wirkt er selbst winzig, wie er am Rande der Klippe steht. Trotz einiger Versuche hab ich es nicht geschafft, den Globus und die felsige Steilwand so zu fotografieren, dass man erkennen kann, wie hoch sich die Kante über das Meer erhebt. Die Dimensionen sind beeindruckend und nur schwer zu begreifen.
Unser Zelt stellen wir neben Kästen aus Holzbrettern auf, die auf Paletten gebastelt wurden. Sie stehen aufgestapelt am Rand des großen Parkplatzes. So wie es aussieht, sind es Verkleidungen, in denen dekorativ Mülltonnen aufgestellt werden können. Da der Andrang nicht so groß ist, sind sie hier gestapelt und bieten uns einen Windschutz.
Der Sonnenuntergang, oder besser gesagt die Dämmerung, ist unglaublich schön. Wir genießen es vom Zelt aus und auch vom Globus, zu dem wir noch einige Male gehen.
Zur Feier des Tages und zur Krönung unserer Tour machen wir uns ein kleines Fläschchen Rosé-Wein auf. Die Tatsache, dass wir beide so oder so sehr selten Alkohol trinken und während der Reise quasi gar nichts getrunken haben, führt dazu, dass das Fläschchen für uns beide völlig ausreichend ist. Wir gehen noch ein wenig umher, nochmal zum Globus, wärmen uns noch mal in den Hallen auf und lassen so den Abend ausklingen.
Mit den Fahrrädern haben wir unser Ziel erreicht. Allerdings heißt das nicht, dass wir jetzt mit allem aufhören. Vor allem nicht mit 1FachRaus! Ideen und Abenteuer gibt es schließlich mehr als genug!
Als nächstes freuen wir uns auf den Rückweg, der uns noch einmal quer durch Skandinavien führt. Außerdem gibt es von der Reise noch die eine oder andere Kleinigkeit zu erzählen.
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