Tschüss Deutschland! Hallo Schweden!
Mein Weg quer durch Deutschland:
1.254 Kilometer
10.859Höhenmeter
Ich bin ein bisschen aufgeregt, was mich heute erwartet. Von meinem Nachtlager aus ist es nicht mehr weit bis Rostock. Ich fahre gemütlich Richtung Innenstadt. An dem Rand der Stadt mache ich noch einige Besorgungen. An einer Tankstelle fülle ich meine Brennstoff-Flasche für meinen Kocher mit Benzin auf und kaufe in einem Laden einige Lebensmittel, die ich brauche, aber nach der Grenze etwas teurer sind.
Soweit hab ich alles, also auf zum nächsten Stopp! Ich steuere eine Apotheke in der Innenstadt an. Hier hab ich mir schon vor einigen Tagen einen Corona-Test gebucht. Den werde ich heute Abend noch brauchen. Da ich mir reichlich Zeitpuffer eingeplant hab, bin ich deutlich zu früh da, was kein Problem darstellt. Sie sind flexibel und ich muss nur kurz warten. Das Ergebnis bekomme ich digital und gedruckt. Es ist noch ungewohnt, dass ich jetzt damit in einem der vielen Restaurants ganz normal sitzen kann. Ich genieße das leckere indische Essen und mache dann noch ein bisschen Papierkram bevor ich die Stadt erkunde.
Nachdem ich durch Parks vorbei an einigen Kirchen und anderen historisch Gebäuden gefahren bin, mache ich mich auf den Weg Richtung Hafen. Das gestaltet sich komplizierter als gedacht. Anstatt beschilderter Radwege finde ich reichlich Straßen mit Fahrrad-Verbot. Alternativen sind knapp. Meine Navi-Apps führen mich schlussendlich über Umwege durch Baustellen und über teilweise katastrophale Schleichwege Richtung Hafen. Mein Gefühl, dass diese Zufahrten nicht für Fahrräder gedacht sind, verstärkt sich. Natürlich hab ich das vorher schon vermutet, aber jetzt ist es nicht mehr zu übersehen.
Am Hafen angekommen fühle ich mich ein bisschen winzig und verloren. Ich sehe riesige Schwertransporter, die eine komplette Windkraftanlage in Einzelteilen transportieren. Die Anlage ist auf etliche LKWs verteilt. Sie wirken alle wie kleine Spielzeuge vor dem gigantischen Kreuzfahrtschiff im Hintergrund. Hier fahren kaum Autos und ich bemühe mich, den 40-Tonnern nicht in die Quere zu kommen. Am Terminal checke ich ein und erfahre, dass ich eine Stunde bevor die Fähre ablegt, an Bord gehen kann. Das heißt noch etwas Geduld haben. Ich komme mit einem Mann ins Gespräch, Michael, der auch auf dem Weg Richtung Norden ist. Er ist mit dem ICE angereist und radelt ab dem Zielhafen nördlich. Allerdings nicht mit derselben Fähre wie ich. Was er sich vorgenommen hat ist echt ambitioniert. In etwa 3 Wochen will er vom Süden Schwedens bis ans Nordkap geradelt sein. Ich komme mit einigen Menschen ins Gespräch und so vergeht die Zeit.
Auf geht’s Richtung Fähre. Ich steuere den ersten Lotsen mit Warnweste an, den ich sehe. Er erklärt mir, wie ich zu seinem Kollegen komme, ohne in der Dunkelheit unter die Räder zu kommen. Mittlerweile ist etwa 23 Uhr und um Mitternacht geht es los. Ich fahre zwischen mehreren Reihen von wartenden LKWs nach vorne. Ich werde erneut über Funk angekündigt. Vermutlich soll so vermieden werden, dass Radfahrer verloren gehen. An Bord wird mir eine Ecke zugewiesen, wo ich mein Rad anschließen kann. Das Parken der Sattelzüge-Auflieger ohne Zugmaschine ist beeindruckende Maßarbeit, bei der kein Platz für Fehler bleibt. Ich beobachte einige Momente wie ein Koloss nach dem anderen dicht an dicht gedrängt sein Platz findet. Für mich heißt es also alles mitnehmen, was ich unbedingt brauche und runter vom Fahrzeug-Deck.
Ich mache mich auf den Weg durch die farblich markierten, engen Gänge zur Rezeption. Hier bekomme ich im Tausch gegen meine Bordkarte eine Chipkarte für meine Koje. Nicht weit entfernt ist ein Raum mit einzelnen, nummerierten Schlafkapseln. Ich bin ziemlich fertig, geh mich frisch machen und verkrieche mich in dem rockigen Loch in der Wand. Noch etwa 5 Stunden bis ich wieder raus muss und die Fähre in Trelleborg ankommt.
Am Zielhafen angekommen mach ich mich auf den Weg zu meinem Rad. Durch schmale Lücken zwischen Bordwand und Ladung schiebe ich mich zum Ausgang. Eine riesige Brücke aus Stahl wird an die Fähre heruntergelassen und ich rolle gemeinsam zwischen den LKWs von Bord. Über das Brückensystem kommt ein Bus entgegen. Er ist für die wenigen Passagiere ohne Fahrzeug. Der Blick zurück macht mir noch mal klar, wie groß die Fähre ist und was sie jeden Tag leistet. Verrückt, welche unglaublichen Maschinen wir Menschen bauen können.
Bei Tageslicht fährt es sich entspannter an den wartenden LKWs vorbei. Von Lotse zu Lotse rolle ich der Ausfahrt entgegen. Der Zollbeamte kontrolliert als erstes den Test auf Corona und will erst dann meinen Ausweis sehen. Alles ist gut und ich fahre zum ersten Mal mit meinem Rad auf schwedischem Boden. Massenhaft 40-Tonner fahren vom Gelände und ich sehe zu, dass ich von der Straße weg auf einen Radweg komme. Ich hab‘s tatsächlich geschafft! Ich bin in Schweden! Ein mal quer durch Deutschland und jetzt hier!
Meine Route führt mich nur kurz entlang der Küste und bald ins Hinterland. Auf einem Feldweg gönne ich mir einen kleinen Snack, der das Frühstück ersetzen soll, bevor ich weiter in die Pedale trete. Die Strecke führt mich zwischen Feldern hin zu kleinen Dörfern, die ich nacheinander durchquere. Die Häuser sind oft aus Holz. Manche auch halb aus Stein und halb aus Holz. Die Dörfer und ihre Häuser sehen recht alt aus, aber nicht runtergekommen. Sie sehen sehr gepflegt aus, genau wie die Grundstücke auf denen sie stehen. Dem Anschein nach werden viele Felder von hier aus bewirtschaftet. Ich finde es schön, wie alte Häuser, Höfe und Trecker auf neuere Häuser und moderne Landmaschinen treffen und wunderbar harmonieren.
Ich fahre weiter und genieße die ersten Kilometer in Schweden. Mein nächstes Ziel ist nur einen halben Tag entfernt und ich freu mich schon riesig darauf. Ich fahre nach Malmö. Es ist weniger die Stadt und vielmehr die Person die ich dort treffen werde. Nach einer viel zu langen Zeit sehe ich endlich Caro, meine Freundin, wieder. Sie studiert für ein Jahr im Ausland, in Schweden, in Umeå. Ich bin die Nacht über mit der Fähre gefahren sie mit dem Zug von Umeå nach Malmö.
Der Weg nach Malmö ist sehr angenehm. Es geht über angenehme, neue und gut beschilderte Radwege Richtung Stadt. Der Radweg durch das Industriegebiet von Malmö begeistert mich am meisten. Ein Gegensatz zu allem, was ich aus der Heimat gewohnt bin. Der Weg ist abseits von großen Straßen, seitlich großzügig begrünt und mit reichlich Bäumen gesäumt die eine Fahrrad-Allee bilden.
In Malmö haben Caro und ich für ein paar Tage eine gemütliche Bleibe gefunden. Sie ist kurz vor mir da. Dort angekommen fallen wir uns in die Arme und können kaum fassen uns endlich wieder zu haben. Wir genießen die Zeit miteinander. Kochen, Essen, Lachen und natürlich durch die Stadt schlendern. Die Zeit zusammen verfliegt viel zu schnell und bald mache ich mich alleine wieder auf den Weg Richtung Norden.