Ein Tunnel für Fahrräder?
Heute erwartet mich etwas Besonderes
Ich werde etwas später wach, da die Vögel durch den abklingenden Regen etwas leiser singen. Nach einer Nacht voller Regen riecht die Luft wie frisch gewaschen. Ich packe meine 7 Sachen und fahre los. Es geht wieder leicht aufwärts, aber bald wird das schon aufhören, denk ich mir. Und ich liege richtig.
Nach knapp zwei Kilometern verwundert mich ein Schild, das auf einen Tunnel hinweist. Eine Straße ist nicht in Sicht. Erwartet mich hier ein Tunnel nur für Fahrräder? Eine Kurve später sehe ich ihn: den Milseburg-Tunnel für Fahrräder. Beim Einfahren bemerke ich sofort das feuchte und kühle Klima, das an eine Tropfsteinhöhle erinnert. Ich nehme auch immer wieder ein Plätschern wahr, das ich aber nicht genau verorten kann. Der Tunnel ist 1172 Meter lang und führt durch die Oberbernhardser Höhe, die 661 Meter hoch ist. Dazu erfahre ich, dass nicht nur der Tunnel, sondern die Strecke die ich gefahren bin, auf einer Bahnverbindung beruht, die 2003 zu einem Radweg umgebaut wurde. Das ist wirklich eine besondere Route!
Nach dem Tunnel geht’s ordentlich abwärts und das Gepäck schiebt. Aber zwar so richtig! Über kleine kurze Anstiege kann ich durch den Schwung gut drüberrollen und weiter geht’s bergab. So verfliegen die ersten 15 Kilometer im Nu und riesig Spaß macht es obendrein auch noch. Kuhweiden säumen den Weg und der kurze Schauer ist schnell vergessen sobald die Sonne wieder raus kommt.
Ein ziemlich ramponiertes Schild sorgt dafür, dass mir noch mal klar wird wie weit ich schon geradelt bin. Ab jetzt werde ich ein gutes Stück entlang des ehemaligen „Eisenen Vorhangs“ fahren. Und ich sehe hier auch ein Stück Geschichte zum Anfassen:
Zum Mittagessen setze ich mich an einen Fluss und suche auf der Karte nach Schutzhütten. Das erweist sich am frühen Abend als notwendig, da viele Feldern, Weiden und Wäldern an Hängen die Schlafplatz-Suche schwierig gestalten. Die unzähligen Hochsitze der Jäger sind hier egal wo man hinschaut. Es scheint Jagd-Saison zu sein.
Nach einigen ungeeigneten Hütten bleibt wieder eine Hütte auf einem Hügel. Meine Karten-App navigiert mich den Schotter-Weg hinauf, der immer steiler wird. Bald ist es nur noch ein Pfad und ich muss schieben. Er wird immer steiler, matschiger und rutschiger. Ich frage mich, ob das, was ich hier tue noch Sinn macht. Naja, weit kann es nicht mehr sein und Alternativen fallen mir nicht ein. Weniger als ein Kilometer und der Pfad wird steiler und unwegsam. An einigen Stellen komme ich kaum weiter, da ich keinen Halt mehr unter den Sohlen habe, während ich bis zu den Knien in Brennnesseln stehe. Nach einiger Quälerei und der Frage, warum ich mir das alle überhaupt antue, komme ich am höchsten Punkt an.
Die Aussicht auf eine alte Burgruine und runter ins Tal ist eine Entschädigung für die Anstrengungen. Auf der Karte ist viel eingezeichnet. Hier erwartet mich ein Pavillon aus Holz. Ich atme durch entspanne mich und bereite das Abendessen vor.
Allerdings komme ich nicht zum Essen. Während ich koche, wird mir übel. So sehr, dass ich nichts zu mir nehmen kann und es wird schlimmer. Der Versuch mich hinzulegen und etwas auszuruhen bringt auch nichts. Ich vermute ein Teil meines Mittagessens war schlecht geworden. Genaue Details werde ich euch an dieser Stelle besser ersparen. So viel sei gesagt: Erbrechen und Durchfall sorgen für eine nahezu schlaflose Nacht.
Am Morgen sammle ich meine letzten Kräfte, packe meine Sachen und mache mich auf den Weg zu einer Unterkunft, die Caro am Abend noch für mich organisiert hat. Und um die Sache abzurunden, rutsche ich auf dem Pfad ins Tal ab und falle auf einen Baumstamm mit stacheligem Gestrüpp. Der Stachel auf dem Foto unten hat in meiner Hand gesteckt und lediglich 3 Millimeter herausgeschaut. Durch die Tiefe hat das Herausziehen ziemlich viel Kraft gekostet. Weder Finger noch Pinzette hatten genug halt. Nur mit den Zähnen konnte ich fest genug zupacken, um ihn raus zu ziehen. Komischerweise war es weniger schmerzhaft als es sich anhört. Ziemlich ausgelaugt komme ich bei der Pension an, wo ich mich für ein paar Tage einrichte, mich auskuriere und meine Wunde versorge.